Montag, 6. Dezember 2010

6.12.2010

Der Weihnachtsmann, der mit seinen Rentieren hinter dem Himmelstor gleich links, in einem großen Wolkenschloss wohnte, saß traurig in seinem Schaukelstuhl vor dem Kamin und kraulte sich den langen, weißen Bart. Er dachte an früher, als die Kinder noch Wünsche hatten und er das ganze Jahr über viel zu tun hatte. Doch jetzt, wo die Kinder nur noch vor den Computern saßen und zufrieden waren, wenn sie ab und zu ein Neues Spiel bekamen, hatte der Weihnachtsmann wenig zu tun. Dieses Jahr hatte er den ganzen Sommer hier gesessen und darauf gewartet, dass es endlich Winter wurde. Doch dieser hatte ihm auch nicht viel Arbeit gebracht, wie früher. Irgendwie musste er das ändern. Aber wie?
Der Weihnachtsmann seufzte, trank einen tiefen Schluck Tee aus seiner Tasse und machte sich auf, seine Tochter Vibella zu besuchen, die gerade die Engelkinder beaufsichtigte.

Während seiner Fahrt dachte er an die schönen Zeiten, als er nicht wußte, wie er die ganze Arbeit bewältigen sollte, obwohl die jüngsten Engelchen ihm das ganze Jahr über geholfen hatten. Und jetzt fingen sie erst wenige Tage vor Heilig Abend an Wunschzettel zu lesen und Geschenke zu packen. Und das würde auch bald enden und er wäre dann nichts anderes, als ein alter Mann.

Vibella schwebte von Wolke zu Wolke und begutachtete die Fortschritte der Engelchen beim einpacken der Geschenke für die Menschenkinder. Alle Engelchen hatten ihren Spaß und durften sogar ganz vorsichtig, die Spielsachen ausprobieren, die meistens für Babys und Kleinkinder gedacht waren.
Doch ein Engel saß verkniffen zwischen den Papierschleifen und Geschenkpapieren. Das Engelchen hieß Brian und hatte seit einer Weile nichts mehr zu tun. Er langweilte sich entsetzlich und er richtete seine Aufmerksamkeit auf seinen Bogen, den er auf dem Rücken trug. Jeder von den Engeln trug einen Bogen und hatte einen ganzen Köcher Pfeile dabei. Die erwachsenen Engel, die in die Fußstapfen von Amor getreten waren, durften die Liebespfeile in die Herzen der Menschen schießen. Doch die Anfänger durften sie zwar tragen, aber nicht benutzen. Brian spielte an der Sehne seines Bogens herum und legte einen Pfeil auf. Er spannte den Bogen, zog die Sehne nach hinten und hielt den Pfeil fest, damit er nicht davonflog. Das ging ein paar mal gut, doch als Brian die Sehne wieder spannte und ein Ruf hinter ihm ertönte, erschrak er, ließ den Pfeil und die Sehne los und der Pfeil schoss davon.
Erstarrt blickte Brian hinter dem Pfeil her und beobachtete seine Flugbahn.
Das Geschoß sirrte durch den Himmel, erwischte eine Regenwolke, die einigen Engeln auf Wolke drei eine unfreiwillige Dusche bescherte, machte einen Bogen und flog zum Sternenhimmel hinauf.

Schnell schaute Brian sich um, ob irgendwer etwas von seinem unfreiwilligen Abschuss mitbekommen hatte, doch die anderen Engelchen waren zu beschäftigt, als das sie auf ihn geachtet hätten. Mit einem Seufzer wandte sich Brian dem Pfeil zu, der die Sterne fast erreicht hatte. Er war ziemlich schnell und schon bald traf er einen Stern, der sich prompt vom Himmel löste und zur Erde fiel. Der Stern versuchte seinen Fall zu bremsen und Funken stoben hinter ihm auf. Doch es nützte nichts. Der Stern fiel und fiel und es löschte sein Licht und war nicht mehr gesehen.
Brian war erschreckt aber auch erstaunt, wie schön der Stern ausgesehen hatte und er legte noch einen Pfeil auf die Sehne. Diesmal schoss er gezielt auf einen großen Stern gleich über ihm und als er den Pfeil auf den Weg schickte, konnte er einen Begeisterungsschrei nicht unterdrücken.
Der Schrei durchdrang die Stille und alle Engel hoben die Köpfe. Mit "Ohs" und "Ahs" wurde der verglühende Stern beobachtet, und manche Engel hatten ihre Bogen schon gezückt um noch mehr Sterne fallen zu sehen.
Brian war einen Moment lang stolz, etwas so Schönes geschaffen zu haben, doch als er die Hand an seinem Ohr spürte, die schmerzhaft zudrückte, war der Augenblick dahin.
"Was soll denn das, Brian. Du weißt doch, dass du den Bogen nicht benutzen darfst!"
Stille trat ein und die Engel beobachteten was nun kam.
Mit einem schuldbewussten Augenaufschlag versuchte Brian seine Kindergärtnerin milde zu stimmen. Als sie gerade mit ihrer Gardinenpredigt fortfahren wollte, wurde ihr Einhalt geboten.
"Nicht aufregen meine Liebe! Die Kleinen haben nun mal Unsinn im Kopf, obwohl das schon schlimm war, was Du getan hast, Brian", brummte der Weihnachtsmann und tätschelte Brian den Kopf. Mit Tränen in den Augen wandte der Kleine sich dem alten Mann zu und sagte: "Ich wollte dir ja helfen, aber ich hatte keine Lust mehr und da habe ich mit meinem Bogen gespielt... es tut mir leid", schluchzte er.
"Na, na", schmunzelte der Weihnachtsmann, " Du hast den Bogen ein wenig überspannt, aber tröste Dich, Du bekommst keine Strafe",
"Nicht?", fragten Brian und seine Lehrerin gleichzeitig.
"Diesmal hat Brian mit seinem Unfug Gutes getan. Bitte schiess noch einmal einen Stern hinunter und ihr alle lauscht und beobachtet die Menschen", bat der Weihnachtsmann mit einer ausladenden Geste.
Mit zitternden Händen zog Brian einen Pfeil aus dem Köcher und spannte nochmals seinen Bogen. Er zielte auf einen Hellerleuchteten Stern, der getroffen, mit einem Schweif aus goldenen Funken zur Erde herabschoss.
Gebannt schauten die Engel auf die Erde und warteten, was nun kommen würde.
Als der Stern über den Himmel flitzte und bald nicht mehr gesehen war, hörten die Engel die Menschen rufen "Oh schaut, eine Sternschnuppe, Du kannst Dir was wünschen!" Und ein glückliches Lachen war zu hören als die Menschen ihre Lieben umarmten.
"Seht ihr?", meinte der Weihnachtsmann zu den Engeln "Das bedeutet dass zwei unserer Pflichten sich auf einmal erfüllen. Die Menschen freuen sich, und sie wünschen sich was.
Wir werden also niemals vergessen sein. Wir müssen eine Sternenflotte aufstellen, die regelmäßig Sterne für die Menschen vom Himmel holt. Und ich brauche noch mehr Helfershelfer für meine Pakete!", lachte er dröhnend, ließ sich in seinen wartenden Schlitten plumpsen, schnalzte mit der Zunge und seine treuen Rentiere zogen ihn im Galopp über die Wolken nach Hause.

5.12.2010

Fallender Engel
Ein kleiner, wunderschöner weißer Engel ging eines Tages zu seinem Vater. „Was willst du?“ fragte Gott und lächelte. „Vater, ich sehe jeden Tag auf die Erde und sehe Hass, Neid, Wut, Schmerz, Hilflosigkeit und Einsamkeit. Mir tun die Menschen leid. Ich möchte ihnen helfen.“ Sein Vater erschrak über das, was der kleine Engel da sprach. Dieser lächelte nur und bat seinen Vater „Bitte, bitte lass mich auf die Erde und lass mich diesen armen Menschen helfen!“ Sein Vater nickte, es wiederstrebte ihm, einen seiner Engel auf die Erde zu schicken. „Du weißt was es für Konsequenzen für dich hat?“ Der kleine Engel nickte und schloss die Augen. Leise hörte er noch die Stimme seines Vaters, er warnte ihn vor der Bosheit der Menschen, er sagte, dass sie ihm für nichts dankbar sein würden.

Der kleine Engel hatte nun keine weißen großen, prächtigen Schwingen mehr. Er war nun ein kleine gefallene Engel, in der Gestalt eines Kindes.

Er ging einen dunklen Weg entlang. Ein kleiner Mann kam ihm entgegen, er hatte zerrissene Kleider an, sein Gesicht war schmutzig, er ging geduckt und schien vor jedem Schatten Angst zu haben. Der gefallene Engel ging auf ihn zu, er lächelte ihn an und nahm ihn an der Hand. Er führte ihn auf einen hellen Weg. Die Kleider des Mannes veränderten sich. Sie wurden neu, und teuer. Sein Gesicht war wieder sauber und er ging aufrecht. Der kleine gefallene Engel lachte. Er wollte dem Mann auf wiedersehen sagen. Er wollte ihm sagen, dass er ihm viel Glück wünsche. Aber den Mann interessierte es nicht. Er ging einfach gerade aus weiter und ließ den kleine gefallene Engel alleine zurück. Ein kleines Mädchen kam ihm entgegen, der Mann rempelte es an und es stürzte, aber ihn interessierte es nicht. Der kleine gefallene Engel eilte zu ihm und half dem kleinen Mädchen auf. Es lächelte ihn an, drehte sich um und lief davon.

Jedem, dem der kleine gefallene Engel helfen konnte, half er. Aber er bemerkte eins nicht. Mit jedem Menschen, dem er half, ging es ihm schlechter. Er hatte nicht mehr die Kraft, die er vorher gehabt hatte. Mit jedem mal, das er half, desto schwächer und kleiner wurde er. Immer half er, er hatte schon eine riesige Last zu tragen, die alle, denen er geholfen hatte, bei ihm abgeladen hatte. Er ging gebückt und lächelte. Immerzu lächelte er.

Eines Tages kam eine Gruppe von Menschen, sie lachten ihn aus. Sie schubsten ihn hin und her. Er hatte nicht die Kraft zu sagen, sie sollen aufhören. Also machten sie weiter. Er fiel. Er fiel auf die Knie. Seine Last wurde unerträglich schwer. Aber er lächelte weiter. Einer der Menschen aus der Gruppe schlug ihn ins Gesicht. Jeder begann von einer anderen Seite an ihm zu zerren, ihn zu schlagen, zu treten und ihn anzuschreien. Endlich ließen sie ab von ihm. Er lag zerschlagen am Boden. Er blutete und weinte. Er sah in den Himmel. „Vater, warum sind die Menschen so hart, so gemein?“

Im selben Augenblick stand ein Mädchen vor ihm. Es lächelte ihn an. Der kleine gefallene Engel erkannte sie. Es war das Mädchen, dem er aufgeholfen hatte, als es gestürzt war. Es war nun größer. Sie reichte ihm seine Hand. Plötzlich fiel die Last von ihm. Er wuchs. Er wuchs und wuchs, er wurde groß. Endlich stand er wieder aufrecht. Wie der Phönix sich aus der Asche erhob, so stand er vom Boden auf. Er lachte. Lachte und lachte und das Mädchen mit ihm.

Er breitete seine Schwingen aus und umschloss das Mädchen.

Der kleine gefallene Engel wurde groß, groß und stark, er steht nun wieder aufrecht. Er breitet seine großen, weiße und prachtvollen Schwingen aus und erhebt sich in die Luft. Er ist nun wieder ein Engel.