Samstag, 18. Dezember 2010

18.12.2010

Es klopft bei Wanja in der Nacht.

Weit fort in einem kalten Land
steht Wanjas Haus am Waldesrand
In langen Zapfen hängt das Eis,
und rings herum ist alles weiß.

Da ist bei Sturm in finsterer Nacht
Der Wanja plötzlich aufgewacht.
„Was höre ich da tocken?“
so fragt er sich erschrocken.

Wer ist`s, wer klopft da an mein Haus?
Ein Hase hockt im Schneesturm drauß´:
Der schreit und jammert kläglich.
„Ich friere so unsäglich.“

Der Wanja sagt: „Komm nur herein,
Ich heize gleich im Ofen ein.“
Das Feuer zischt und prasselt laut;
Die Wärme dringt bis in die Haut.

Der Has` streckt sich behaglich aus.
Bald wird es still im kleinen haus.
Auch Wanja deckt sich wieder zu;
„Gut Nacht und angenehme Ruh!“

Doch kaum sind beide eingeschlummert,
Da weckt sie Lärm. Es pocht und bummert,
Und jemand trommelt an das Tor.
Ein roter Fuchs steht jetzt davor.

Der knurrt: „Erfroren ist mein Zeh.
Ich hab genug von Eis und Schnee.
Ich kann nicht weiterlaufen,
Lass mich bei dir verschnaufen!“

Da schreit der Hase: „Nein oh nein,
Lass bloß den Fuchs hier nicht herein!
Er ist darauf versessen,
Uns Hasen aufzufressen.“

Der Fuchs mit kalten Gliedern
Beeilt sich zu erwidern:
„Ich schwör bei meiner Ehre,
Dass ich dich nicht verzehre:“

Der Wanja sagt: „Na gut, komm rein,
Doch halte dein Versprechen ein.“

Der Fuchs streckt sich behaglich aus.
Bald wird es still im kleinen Haus.
Auch Wanja deckt sich wieder zu:
„Gut Nacht und angenehme Ruh!“`

Doch es ist wirklich unerhört-
Schon wieder werden sie gestört.
Es klopft und pocht, es kratzt und kracht.
Ein Bär steht draußen in der Nacht,
Und- das muss man erwähnen-
Er klappert mit den Zähnen.

Der Wanja starrt den Bären an.
„Was mach ich bloß? O Mann, o Mann.”

Und auch der Fuchs erbleicht vor Graus.
Er denkt: „Nun ist es mit mir aus.
Der Bär hat es gerochen,
Dass ich ihm vor zwei Wochen
Ein Stückchen Fleisch gestohlen.
Jetzt kommt er, mich zu holen.“

Dem Bären sind die Ohren
Vor Kälte steif gefroren,
drum ist ihm alles einerlei.
Er schwört, dass er ganz harmlos sei.

Der Wanja sagt: „Komm rein, schon gut!“
Und wirft ein Holzscheit in die Glut.

Der Bär streckt sich behaglich aus.
Bald wird es still im kleinen Haus.
Auch Wanja deckt sich wieder zu:
„Gut` Nacht und angenehme Ruh!“

Der Schneesturm unterdessen
Tobt weiter wie besessen.
Er reißt die stärksten Bäume aus
Und rüttelt an dem kleinen Haus.
Doch drinnen schlafen wohlgeborgen
Fuchs, Bär und Hase bis zum Morgen.

Kaum aber fängt es an zu dämmern,
beginnt des Hasen Herz zu hämmern.
„Der Fuchs meint es nicht ehrlich;
Er ist und bleibt gefährlich.
Wie kann man sich vertragen?
Dem knurrt ja schon der Magen.
Es ist wohl besser wenn ich geh`.“
Er hoppelt wieder durch den Schnee.

Der Fuchs erwacht aus Schlaf und Traum,
Reckt sich, erblickt den Bären kaum,
Da fährt ihm auch schon wieder
Der Schreck in alle Glieder.
„Wenn das ein gutes Ende nimmt!
Der Bär ist gegen mich ergrimmt.
Er wird mit seinen Tatzen
Mich ganz empfindlich kratzen.“
Und eilig, eh der Bär erwacht,
hat sich der Fuchs davongemacht.

Jetzt schnarcht nur noch der Bär im Eck,
Schnarcht laut und rührt sich nicht vom Fleck.
Er ist nicht mehr durchfroren
Und hat auch warme Ohren.
Und auch sein Pelz ist nicht mehr nass.
Dann brummt er, blinzelt und wird blass;
Denn was er sieht bedrängt ihn sehr;
Am Nagel hängt ein Schießgewehr.

„Verflixt, das ist ein Jägerhaus!“
Ganz heimlich schleiche ich mich raus.
Die Sonne steht schon überm Wald.
Heut` wird`s bestimmt nicht mehr so kalt.“
Er tappt so leise er vermag,
hinaus in einen neuen Tag.

Der Wanja – noch vom Schlaf umfangen –
Begreift nicht, was hier vorgegangen.
Er blickt umher im leeren Raum.
War das denn alles nur ein Traum?

Doch draußen sieht er von drei Tieren
Die Spuren sich im Schnee verlieren.

Der Wanja schaut und nickt und lacht:
„Wir haben wirklich diese Nacht
gemeinsam friedlich zugebracht. –
Was so ein Schneesturm alles macht!“

Tilde Michels